Monnards Konzertprogramme – Bezugspunkt Ravel
Hätten Sie es gewusst? Die Mehrzahl von Ravels Orchesterwerken war primär gar nicht für den Konzertsaal geschrieben. Vielmehr lag entweder eine szenische Konzeption vor oder sie sind Teil eines Gattungsgeflechts. Dabei sind Klavierzyklus, Orchesterstück und Ballettmusik auf vielfältige Weise miteinander verbunden, wie beispielsweise Valses nobles, Bolero oder Pavane. Auch Daniel Barenboim greift diese Idee auf und setzt vier Stücke – davon zwei ursprünglich für Klavier und eins als Ballett gedacht – des französischen Komponisten zu einem Werk zusammen.
Kontrastreiche Wechselwirkung
Maurice Ravel | Valses nobles et sentimentales
Maurice Ravel | Concerto pour piano et orchestre en sol
Maurice Ravel | Concerto pour la main gauche
Maurice Ravel | La Valse
Eine Kette von Walzern nach dem Beispiel Schuberts und ein Tanzen auf dem Vulkan umrahmen die beiden in zeitlicher Nachbarschaft entstandenen Klavierkonzerte Ravels. Die Ergebnisse sind verblüffend wegen ihrer völligen stilistischen Unterschiedlichkeit: Die Nacktheit der Linie sowohl bei den Valses nobles et sentimentales als auch beim G-dur Konzert für zwei Hände und das Gespenst vom Dies irae im Konzert für die linke Hand und die seismographische Wucht, die in La Valse tobt – die Katastrophe und den Untergang heraufbeschwörend. Im Grunde ist Ravels Klavierkonzert für die linke Hand eine Art „Totentanz“, ähnlich wie La Valse, als ob Ravel den berühmten Wiener Walzer „inmitten der Trümmer der Gegenwart“ hätte auferstehen lassen (Théodore Lindenlaub, Le Temps, 28.12.1920). Geschrieben wurde es für den hochbegabten Pianisten Paul Wittgenstein (1887–1961), der im Krieg den rechten Arm verlor. Der umschwärmte Sohn einer Familie, die als „die Krupps der Habsburger Monarchie“ galt, zahlte fürstlich, sicherte sich exklusive Aufführungsrechte und fühlte sich berechtigt, den musikalischen Text zu „verbessern“. Die Uraufführung mit Wittgenstein am Klavier fand am 5. Januar 1932 in Wien in Abwesenheit des Komponisten statt. Am Pult der Wiener Symphoniker stand Robert Heger. Ravel hörte Wittgensteins Interpretation des Werks erst im März, als er, auf Tournee mit Marguerite Long, in Wien weilte. Wittgenstein hatte den Komponisten zu sich nach Hause eingeladen, wo er ihm das Stück in Begleitung eines zweiten Flügels vortrug. Ravel zeigte sich keineswegs zufrieden über die Änderungen, die Wittgenstein an seiner Musik vorgenommen hatte. Nachdem er sich einem Auftritt des Pianisten in Paris widersetzte, entspann sich ein erhitzter Briefwechsel, in dem Wittgenstein forderte, die Interpreten dürften keine Sklaven sein. Ravels legendäre Antwort lautete: „Die Interpreten sind Sklaven!“ (Marguerite Long, Au piano avec Maurice Ravel, Paris : Julliard 1971, S. 87f.)
Spanische Symphonie
Maurice Ravel | Rapsodie espagnole
Maurice Ravel | Pavane pour une Infante défunte
Maurice Ravel | Alborada del gracioso, aus Miroirs (Orchesterfassung)
Maurice Ravel | Bolero
Die Idee sämtliche spanischen Orchesterstücke von Ravel zusammenzuschweißen stammt von Daniel Barenboim. In ihrer Gesamtheit sind sie wie eine große spanische Symphonie. Zumal der Bolero am Schluss eine zusätzliche Dimension erfährt. Die Rapsodie bildet den Kopfsatz, die Pavane fungiert gewissermaßen als langsamer Satz, die Alborada del gracioso als Scherzo. Das passt wunderbar. Auf Gastspiel mit seinem Eastern-Diwan-Orchester in seiner Heimatstadt Buenos Aires in 2014 gab Barenboim kurz das Tempo an, brachte so die Maschine in Gang, legte dann aber den Taktstock beiseite und hörte sich den Bolero genüsslich an.