Monnards Konzertprogramme – Literatur und Musik

William Shakespeare, Lord Byron und Miguel de Cervantes sind drei literarische Größen, deren Wirken auch andere Künste nachhaltig beeinflusst hat. Von Anfang an miteinander verbunden, beeinflussen sich Literatur und Musik gegenseitig, sind Quelle gegenseitiger Inspiration auf inhaltlicher und formaler Ebene.

Lord Byron

Hector Berlioz | Le Corsaire, Ouverture op. 21
Franz Liszt | Tasso, Lamento e Trionfo Symphonische Dichtung


Peter Iljitsch Tschaikowsky – Manfred – Sinfonie op. 58

Für den 28. August 1849, anlässlich der Festlichkeiten zum 100. Geburtstag Goethes, hatte Franz Liszt vom Großherzog Carl Alexander den Auftrag erhalten, eine Ouvertüre für eine Aufführung des Torquato Tasso zu komponieren. Es ist aber kein Geheimnis, dass Liszts Symphonische Dichtung eigentlich von Byrons Gedicht „The Lament of Tasso“ angeregt wurde. Beide Texte konzentrieren sich auf eine Situation des Leids. Dem Lament jedoch fehlt die Transzendenz, da es gänzlich in der Immanenz des Leids verharrt. In Goethes Schauspiel folgt eine Episode der Verklärung auf eine Episode des Leids.

Byrons dramatische Gedichte mit grandiosen Naturschilderungen und unheimlichen Geistererscheinungen schreien nach Musik. Den ersten Entwurf zu einer Ouvertüre nach Byrons „The Corsair“ konzipierte Berlioz schon während seines Studienaufenthalts in der Villa Médicis. Auch Schumann fühlte sich von Byron angezogen. Das geht aus der Auflistung einiger seiner Vorhaben hervor. Realisieren konnte er nur die gattungsverwandte Bühnenmusik zu Manfred. Aber ein weiteres Projekt, zu welchem darüber hinaus auch Notenskizzen enthalten sind, ist der Korsar.

In der Nachfolge von Berlioz und Liszt weist auch das fast einstündige Werk von Tschaikowsky ebenso einen Sonderplatz im Repertoire wie als Dokument der Faszinationskraft auf, die Lord Byrons gequälter Anti-Held Manfred im 19. Jahrhundert ausübte. Obendrein ist es wahrscheinlich Tschaikowskys zutiefst persönliches Psychogramm. Er identifiziert sich mit den namenlosen Leiden des Helden, der an Weltschmerz verzweifelt und schließlich zugrunde geht. Mit den Worten des Abts „Tod – seine Seel’ ist dieser Erd entflohn, – wohin? – Mich graut’s zu denken, – Es ist aus“ schließt Lord Byrons Gedicht.

William Shakespeare

Hector Berlioz | Ouvertüre zu König Lear op. 4
Edward Elgar | Falstaff. Symphonische Suite op. 68
Hans Werner Henze | Sinfonia No 8

Shakespeare by John Taylor [1610, PD]

Shakespeare (John Taylor 1610, PD)

Wie kaum ein anderer Autor hat William Shakespeare die Musikgeschichte entscheidend mitgeprägt. Ob als Opernstoff, als Vorlage für Instrumentalmusik oder in Liedvertonungen, Shakespeares Dichtungen wurden für viele Komponisten unterschiedlichster Herkunft  zu einer Quelle der Inspiration. Bereits 1830 hatte Schumann den kühnen Plan zu einer grossen Oper nach Shakespeares „Hamlet“ entwickelt. Zeitgenössische Komponisten setzen den Weg mit unterschiedlichen Akzenten fort. Letztes Beispiel: The Tempest  von Thomas Adès. Wie wäre die Operngeschichte ohne Shakespeare verlaufen? Für einen Musikdramatiker kann es kaum etwas Spannenderes geben als die Stoffe und Figuren von Shakespeare, denen auch Verdi-Opern wie Macbeth, Othello und Falstaff ihren Ursprung verdanken.

Auch viele symphonische Dichtungen sind zu Shakespeare-Texten geschrieben worden. Die symphonische Studie von Elgar sucht Falstaff und seine Taten nachzuzeichnen. Genau wie Henzes 8. Sinfonie, die Sommernachtstraum-Sinfonie, die aus zentralen Textstellen des Dramas ihre Gestalt gewinnt.

Miguel de Cervantes

Manuel de Falla | Meister Pedros Puppenspiel. Oper in einem Akt nach einer Episode aus Miguel de Cervantes „Don Quijote“


Richard Strauss | Don Quixote op. 35 Fantastische Variationen über ein Thema ritterlichen Charakters

Don Quijote by Gustave Doré (PD)

Don Quijote (Gustave Doré, PD)

„Ob er ein Narr, ein Weiser war, das ist nicht klar, doch offenbar ging er zum Himmel ein“, schrieb Cervantes über seinen Ritter von der Traurigen Gestalt. Mit dem zeitkritisch-ironischen Ritterroman von Cervantes wählte Richard Strauss eine literarische Vorlage, die für Spott und Mehrdeutigkeiten auch in der Musik allen Raum ließ.

El retablo del Maese Pedro stellt auch eine Episode aus der gleichen Geschichte dar, die sich bei der Aufführung einer Puppenbühne ereignet. Wird sonst in Don Quijotes durch das Lesen von Ritterromanen entrückter Fantasie ein Gasthaus zum Palast, eine Staubwolke zu kämpfenden Armeen oder Windmühlen zu Riesen, so verwandelt sich bei de Falla das Spiel der Puppen zur Wirklichkeit.

 

Titelbild: Lord Byron by Thomas Philips (1813, Public Domain)
Jean-François Monnard

Jean-François Monnard

Jean-François Monnard geb. 1941, musikalische Ausbildung und Jurastudium in seiner Geburtsstadt Lausanne. Dirigieren bei Heinz Dressel und Theorie bei Krzysztof Penderecki an der Folkwang Hochschule in Essen (1968 Künstlerische Reifeprüfung). Monnards Theaterweg führte ihn von Kaiserslautern über Graz, Trier, Aachen, Wuppertal nach Osnabrück wo er als GMD wirkte. Zahlreiche Gasteinladungen auf dem Opernsektor und ausgedehnte Konzerttätigkeit. 1998 Wechsel an die Deutsche Oper Berlin, zunächst als Künstlerischer Betriebsdirektor, dann als Operndirektor.
2007 Rückkehr in die Schweiz, wo neue Aufgaben auf ihn warten: Stellv. Direktor des Festivals „Septembre Musical Montreux-Vevey“, Leiter des Bereichs Planning und Casting an der Genfer Oper und Musikalischer Berater beim Orchestre de la Suisse Romande. Seit 2013 zunehmend musikwissenschaftliche Tätigkeit, insbesondere als Herausgeber einer kritischen Ausgabe Ravels Orchesterwerke für den Verlag Breitkopf & Härtel (sechs Bände bisher erschienen: La Valse, Bolero, Rapsodie espagnole, Valses nobles et sentimentales, Bilder einer Ausstellung und Tombeau de Couperin) sowie als Chefredakteur der „Cahiers Ravel“, einer Veröffentlichung der Stiftung Maurice Ravel in Paris.