Monnards Konzertprogramme – Bezugspunkt Debussy
Der französische Komponist Claude Debussy (1862–1918) zählt mit zu den Hauptvertretern der impressionistischen Musik. Seine Musik ist farbig erzählend. So wie er sich in seinen Kompositionen von vielen anderen Klängen anregen ließ, so beeinflussen seine Werke die Komponisten von heute.
Angeeignet und verkleidet
Claude Debussy | Trois Etudes orchestriert von Michael Jarrell
Claude Debussy | C’est l’extase – Zehn Verlaine-Lieder für Sopran und Orchester, orchestriert, verbunden und mit einem Epilog versehen von Robin Holloway
Claude Debussy | Préludes (Auswahl) für Orchester bearbeitet von Colin Matthews
Durch die gesamte Musikgeschichte sind Werke bedeutender Komponisten auf unterschiedlichste Weise arrangiert und neu gestaltet worden. Diese Verfahrensart in Form von Instrumentierungen und Bearbeitungen lässt sich besonders im Fall Debussys feststellen und führt meistens zu eigenständigen, originellen Kompositionen.
Michael Jarrell (*1958) hat drei von den zwölf Etüden von Debussy orchestriert und sich eng dem jeweiligen Original zugeordnet; er hat sich auch grundsätzlich an das Instrumentarium, das Debussy zur Verfügung stand, gehalten. Anders bei Colin Matthews (*1946), der vor radikalen Abweichungen nicht scheut. Er transponiert manchmal in eine andere Tonart, verlängert um einige Takte und führt subtile Abwandlungen ein. Matthews schreibt also keineswegs notengetreue Transkriptionen, sondern spürt das Geheimnis jedes einzelnen Stücks nach. Robin Holloway (*1943) stellt zehn Verlaine-Lieder Debussys völlig neu zusammen und verbindet sie durch kurze, neu komponierte Zwischenspiele. Keine Stilkopie, sondern eine Kompilation mit dem persönlichen Stempel und der Vorstellungskraft eines wahren Komponisten.
Doppelt gedeutet
Claude Debussy | Fünf Préludes für Klavier solo
Claude Debussy | Six Epigraphes antiques für Klavier 4-händig
Claude Debussy | Fünf Préludes instrumentiert von Hans Zender
Voiles – La danse de Puck – Général Lavine eccentric – Les collines d’Annacapri – Des pas sur la neige
Claude Debussy | Six Epigraphes antiques für kleines Orchester gesetzt von Rudolf Escher
Dieses Programm könnte fast etwas sonderbar wirken, aber die Gegenüberstellung der Bearbeitung mit dem Original ist lehrreich. In den Préludes hat sich Debussy bewusst auf das Klavier beschränkt. Jedes Prélude ist eine in sich geschlossene kleine Welt mit einer eigenen Klangsprache. Auf Betreiben seines Verlegers Durand und einiger Interpreten erklärte sich Debussy jedoch mit Arrangements einzelner Préludes einverstanden. Er gestattete zum Beispiel Henri Busser La Cathédrale engloutie und La puerta del vino als Orchesterstück einzurichten. Busser legte sich seine Transkriptionen im vertrauten Vokabular des Komponisten zurecht. Hans Zender seinerseits erfand eine neue Musikform, die „komponierte Interpretation“, in der er Werke früherer Epochen aufgreift und, in diesem Fall durch neue Instrumentation, seine Sichtweise darauf deutlich macht. Man wird wohl kaum bestimmte Quellen finden für Titel wie Voiles oder Des pas sur la neige. Debussys programmatische Angaben sind mehr Naturbeschwörungen als reale Abbildungen und lassen eine Vielzahl von Deutungen zu. Sie bieten jenen Erfindungsraum für assoziative Anspielungen. Hilfreich für den Bearbeiter ist aber der Hinweis, den Debussy seiner englischen Biographin, Luisa Liebich, gab: solche Stücke seien sozusagen „unter vier Augen“ zu spielen.
Die Six Epigraphes antiques erschienen im Februar 1915 mitten im Ersten Weltkrieg. Als Debussy kurz vor Ausbruch der Feindseligkeiten die Stichvorlage an seinen Verleger überreichte, bemerkte er lediglich: „Früher wollte ich eine Orchestersuite daraus machen.“ Heute existieren von diesem Stück drei Bearbeitungen für Orchester: eine Fassung von Ernest Ansermet (1932), ein Arrangement für Streichorchester von Jean-François Paillard (1978) und eine Instrumentation des Niederländers Rudolf Escher (1912-1980). Für kleines Orchester konzipiert, fügt sie sich besonders gut in dieses Programm ein. Sie wurde am 6. Juli 1978 als Studioproduktion mit Ernest Bour und dem Radio Kamerorkest Hilversum zum ersten Mal aufgeführt, öffentlich aber erst am 28. Oktober 1979 durch das Concertgebouw Orchester unter Bernard Haitink gespielt.