La forza del destino – Verdis unheilvolle Oper?

© Mehrdad Zaeri vermittelt durch die Agentur Susanne Koppe

ITALLEGRO weckt die Lust am Italienischen und weitet auf unterhaltsame Weise den Blick auf die Sprache. Neben einem Glossar und Ausspracheregeln enthält das Buch von Jutta Eckes sogenannte Storielle – kleine Geschichten rund um die Musik. Kostprobe gefällig? Wie eine der spektakulärsten Opern Verdis zu ihrem schlechten Ruf kam. FORZA! – Auf geht’s!

Kraft, Gewalt, Macht, Stärke, aber auch „Los!“, „Auf geht’s!“ … all das kann FORZA heißen. Sportler lassen sich mit dem Zuruf FORZA anfeuern, und der sogenannte „Cavaliere“  (= Ritter) Silvio Berlusconi gab seiner Partei den Namen FORZA ITALIA (in etwa: „Italien voran“), was sich anhört wie ein Schlachtruf, aber nicht gerade nach Vertrauen erweckender Politik klingt.

Forzando Forzato – diese Begriffe werden in der Musik verwendet und weisen darauf hin, dass ein Stück (oder eine bestimmte Stelle darin) mit Nachdruck, verstärkt gespielt werden soll:

Im ITALLEGRO-Glossar lautet die Übersetzung dieser musikalischen Vortragsbezeichnung „überanstrengt“, „verausgabt“.

La FORZA ist zudem die Kurzfassung des Operntitels La forza del destino (= Die Macht des Schicksals), einer Oper von Giuseppe Verdi. Wagen Sie es bloß nicht, den vollständigen Titel an einem italienischen Opernhaus oder in Musikerkreisen auszusprechen. Diese Oper darf nur LA FORZA genannt werden.

Aber wieso? PER SCARAMANZIA,  wie die Italiener dann sagen. Was so viel bedeutet wie „um die bösen Geister abzuwenden“, „um die guten Geister zu beschwören“, „um es nicht zu beschreien“, „aus Aberglauben“.

…. sodass man meinen könnte, man habe es mit einem Haufen Irrer zu tun.

Nennen Sie den ganzen Titel, so werden Sie sehen, wie die Theaterleute – vom Bühnenarbeiter bis zum Sänger — anfangen, wild zu gestikulieren, etwa die Hände in „Hörnerstellung“ bringen und damit herumfuchteln oder sich um die eigene Achse drehen, sodass man meinen könnte, man habe es mit einem Haufen Irrer zu tun. Dabei soll nur die IELLA (= das Pech, das Unglück), das diese Oper angeblich bringt, gebannt werden.

Wie kam La forza zu diesem verheerenden Image?

Opernnamen übersetzt (eine Auswahl) | ITALLEGRO S. 78

In der ersten Fassung der Oper mit dem Text von Francesco Maria Piave, 1862 in St. Petersburg uraufgeführt, wimmelte es von Toten. Allein dieser Umstand könnte ja Grund genug sein, dem Werk Unheilbringendes nachzusagen. Die Oper wurde später von Antonio Ghislanzoni (dem Librettisten von Verdis „Aida“) so umgeschrieben, dass ein paar Tote aus der Handlung rausflogen.

LA FORZA hat aber – außer den vielen Toten der ersten Fassung – in Sachen Unglück noch mehr zu bieten: So kam PIAVE (Fassung I) nicht nur wirtschaftlich auf den Hund, sodass er seinen Auftraggeber Giuseppe Verdi um Geld angehen musste, sondern erlitt 1867, also fünf Jahre nach der Uraufführung von LA FORZA, einen Schlaganfall und blieb bis zum Lebensende gelähmt.

Außerdem wird die vermeintlich unheilvolle Kraft von LA FORZA befeuert vom Schicksal des Schriftstellers und Musikkenners, Gabriele Baldini, der ein Buch über die Werke Giuseppe Verdis schrieb, und genau da starb, als er an das Kapitel zu La forza del destino kam.

Die beliebteste Unglücksgeschichte jedoch ist die des Sängers Leonard Warren, der 1960 in New York auf der Bühne zusammenbrach, als er die aus dem dritten Akt stammende Arie Urna fatale del mio destino (= verhängnisvolle Urne meines Schicksals – bekannt unter dem deutschen Titel „In meinen Händen halt ich mein Schicksal“) sang und kurz darauf an einer Hirnblutung starb.

Ist diese Art des Aberglaubens eine ausschließlich italienische Angelegenheit?

Keineswegs. Fast könnte man meinen, der Aberglaube sei im Theater erfunden worden Man denke nur an das Verbot, auf der Bühne zu pfeifen, an das  Über-die-linke-Schulter-Spucken beim Toi-toi-toi-Sagen oder das Misslingen der Generalprobe, das als Hinweis auf den Erfolg der Premiere gedeutet wird.

Und was den Italienern ihre FORZA, ist den Engländern ihr MACBETH. Dieses shakespearsche Drama darf NUR und UNBEDINGT „The scottish play“ genannt werden, will man das Unglück nicht heraufbeschwören.

Wieso? — Na, ist doch klar: PER SCARAMANZIA!

 

Jutta Eckes | ITTALEGROJutta Eckes | ITALLEGRO | Italienische Begriffe von A-Z
Glossar – Anekdoten – Beiseite-Gesprochenes

 

 

Titelbild: © Mehrdad Zaeri vermittelt durch die Agentur Susanne Koppe | www.auserlesen-ausgezeichnet.de
Jutta Eckes

Jutta Eckes

Jutta Eckes ist Literaturwissenschaftlerin und Italianistin, Dolmetscherin, Übersetzerin und Lehrbuchautorin. Sie unterrichtet Gesangsstudierende und Korrepetierende an Musikhochschulen und Konservatorien in Köln, Mainz, Frankfurt und Darmstadt.
Als Italienisch-Sprachcoach arbeitet sie seit zwanzig Jahren auf internationaler Ebene mit namhaften Regisseuren und Dirigenten sowie Sänger*innen an Opernhäusern und bei Festspielen. Publikationen bei Rowohlt, Hueber und Bärenreiter. 2020 erschien ihr Buch ITALLEGRO – Italienische Begriffe von A-Z im Verlag Breitkopf & Härtel.