Ein roter Faden im Verlag – die „Neue Musik“ bei Breitkopf
Das Thema „Neue Musik bei Breitkopf“ könnte mit jedem Werk um eine Nuance anders definiert werden, und während dieser Text entsteht und während er im Blog online erscheint, schreiben unsere Komponisten neue Werke. Andererseits gibt es natürlich Konstanten, und letztlich ist das Thema bei Breitkopf keineswegs neu.
Die jeweils maßgebliche und avancierte Musik
Ein imposant breiter roter Faden zieht sich durch die Geschichte, denn schon immer oder genauer gesagt seit der Hinwendung zum Musikverlag Mitte des 18. Jahrhunderts veröffentlicht der Verlag die jeweils maßgebliche und avancierte Musik seiner Zeit. Bis heute prominent war der direkte Kontakt von Gottfried Christoph Härtel und seiner Söhne zu Komponisten wie Beethoven, Mendelssohn, Schumann, Liszt, Wagner und Brahms. Viele Werke dieser schon lange fest im klassischen Kanon verwurzelten Komponisten sind von ihren Zeitgenossen mit Irritation aufgenommen, kritisiert und missverstanden worden.
Viele Jahrzehnte eher Klassizität
Mit dem relativ frühen Zerwürfnis mit Brahms aber scheint aus heutiger Sicht der Faden gerissen zu sein – mit Auswirkungen für viele Jahrzehnte. Es gibt danach weiter jeweils viel „zeitgenössische Musik“ im Verlag, aber darunter findet sich weit mehr Klassizität als aufregend oder konsequent Neues. Busoni wird phasenweise stärker als Bach-Bearbeiter denn als Originalkomponist geschätzt, Sibelius letztlich erst in der mittleren Schaffensperiode für einige Jahre bewusst an den Verlag gebunden, und auch weiter im 20. Jahrhundert setzt der Verlag weiter stärker auf Komponisten, die den Traditionsbezug betonen.
1980: der Neustart
In den 1970er Jahren sucht Breitkopf durch junge Autoren wie Robert Wittinger und den ersten Werken von Wolfgang Rihm Anschluss an aktuelle Entwicklungen, und im Jahr 1980 gelingt dann ein regelrechter Neustart, als mit der Übernahme der Neuen Musik des Kölner Gerig-Verlags und dabei mit Komponisten wie Helmut Lachenmann und Nicolaus A. Huber mit einem Mal die einschlägigen Uraufführungspodien dauerhaft offenstehen.
1991/92: die „Neue Musik der DDR“
Danach wird mit jeder Entscheidung an diesem Programm gefeilt – neue Autoren (Jörg Birkenkötter, Adriana Hölszky, Hanspeter Kyburz, Isabel Mundry) verpflichtet, alte Bindungen gelöst, Hans Zender, in Wiesbaden geboren und mit einigen Jugendwerken kurze Zeit einst Breitkopf-Autor, kehrt zurück, und eine grundlegende Erweiterung erfolgt dann noch einmal ein Jahrzehnt später, als 1991/92 mit der deutschen Einheit und dem Deutschen Verlag für Musik, Leipzig ein repräsentativer Teil der „Neuen Musik der DDR“ (Siegfried Matthus, Udo Zimmermann) in den Katalog kommt.
Niemand weiß, was dabei herauskommt
Seit 1980 jedenfalls ist die „Neue Musik“ konstant und stabil im Verlagsprogramm – und sie ist andererseits lebendig und jedes Mal neu mit den branchenüblichen Risiken behaftet: niemand weiß genau – weder der Veranstalter noch der Verlag und letztlich nicht einmal der Komponist selbst –, was dabei herauskommt, wenn ein neues Werk in Auftrag gegeben ist. Erfahrung und Routine sind dabei in der Zusammenarbeit dieser Dreieckskonstellation eine Menge wert – und ebenso viel zählt professionelle Flexibilität in der Lösung formaler, technischer und rechtlicher Fragen.
Eine Backlist mit Repertoirewerken
Inzwischen ist eine eindrucksvolle Backlist Neuer Musik mit regelrechten Repertoirewerken entstanden. Dies zeigen die regelmäßig aktualisierten Termine auf unserer Webseite jede Woche aufs Neue. Neu in seiner Vielfalt ist die breite Internationalität des Programms durch Komponisten wie Martin Smolka (Tschechien), Misato Mochizuki (Japan/Frankreich), José M. Sánchez-Verdú (Spanien), Márton Illés (Ungarn), Manuela Kerer (Italien/Österreich) und Christian Mason (England).
2015/16 drei neue Autoren: Staud, Kerer, Mason
Wie wir auf www.breitkopf.de zurzeit anmerken: Dass die Neue Musik gern als unübersichtlich empfunden wird, ist nichts Neues, aber wir versuchen für Sie und für uns den Überblick zu behalten. Aufs Neue und jetzt erst recht wird die „Neue Musik bei Breitkopf“ seit 2015/16 durch drei neue Autoren verstärkt verortet. Mit Manuela Kerer und Christian Mason hält die 1980er-Generation Einzug und auch Johannes Maria Staud verjüngt uns mit seinen neuen Werken spürbar. Wir alle dürfen darauf gespannt sein!